Der große Ratgeber: Was Sie über das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) wissen müssen
In Zeiten zunehmender Arbeitsbelastung, steigender Krankheitsfälle und akutem Personalmangel gewinnt das Betriebliche Eingliederungsmanagement immer mehr an Bedeutung. Arbeitgebende sind gesetzlich dazu verpflichtet, Ihren Arbeitnehmenden das BEM anzubieten, sofern diese über einen längeren Zeitraum krank sind. Dadurch sollen Arbeitskraft und Arbeitsplatz langfristig erhalten bleiben. In diesem Ratgeber erfahren Sie alles, was Sie über das BEM wissen müssen.
Inhaltsverzeichnis
- Grundlagen des BEM – Die wichtigsten Fragen und Antworten
- Für wen gilt das BEM?
- Durchführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements
- Rechte und Pflichten im BEM
- BEM und Kündigung
1. Grundlagen des BEM – Die wichtigsten Fragen und Antworten
Was ist das BEM?
Die Abkürzung BEM steht für Betriebliches Eingliederungsmanagement. BEM bezeichnet ein etabliertes Instrument zur Wiedereingliederung langfristig erkrankter Beschäftigter mithilfe eines strukturierten Prozesses. Ziel ist es längere krankheitsbedingte Phasen der Arbeitsunfähigkeit zu beenden und in Zukunft gar nicht erst entstehen zu lassen. Organisationen sind gemäß § 167 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) verpflichtet, das Betriebliche Eingliederungsmanagement durchzuführen, wenn ein Beschäftigter
- innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen ununterbrochen oder
- wiederholt arbeitsunfähig ist.
Im Rahmen des BEM-Prozesses wird von allen Beteiligten geklärt, wie die Arbeitsunfähigkeit überwunden und mit welchen Mitteln erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann.
Klartext: Gestörtes Arbeitsverhältnis
Anders ausgedrückt hat das BEM das Ziel, das gestörte Arbeitsverhältnis zwischen Arbeitgebendem und Arbeitnehmendem wieder zu stabilisieren und zu normalisieren. Gestört ist es deshalb, weil die Organisation den kranken Arbeitnehmenden weiter bezahlen muss, dafür aber nicht die vertraglich vereinbarte Gegenleistung in Form seiner Arbeitskraft erhält. Je länger dieser Zustand andauert, desto stärker das Ungleichgewicht in der Beziehung zwischen beiden Parteien.
Ursprünglich ist das Betriebliche Eingliederungsmanagement eine zugunsten der Arbeitnehmenden eingeführte Arbeitsschutzmaßnahme, insbesondere um krankheitsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Mittlerweile profitieren zunehmend auch Arbeitgebende davon, da infolge des Fach- und Führungskräftemangels jede zurückgewonnene Arbeitskraft enorm wertvoll ist. Die Investition ins BEM ist somit eine Investition in den Erhalt und die Bindung der Belegschaft.
Welchen Nutzen bringt das Betriebliche Eingliederungsmanagement?
Das BEM wurde eingeführt, um die Gesundheit und die Beschäftigungsfähigkeit von langzeiterkrankten Arbeitnehmenden wiederherzustellen und im besten Fall langfristig zu sichern. So soll unter anderem sichergestellt werden, dass Mitarbeitende möglichst frühzeitig wieder an ihren Arbeitsplatz im Betrieb zurückkehren. Denn gerade bei längeren Ausfallzeiten kann es je nach Arbeitsplatz, Erkrankung und Persönlichkeit schwierig sein, wieder in den Arbeitsalltag zurückzufinden.
Ferner geht das BEM den Ursachen langandauernder Arbeitsunfähigkeit nach, um betriebsbedingte Auslöser zu eliminieren und damit die Anzahl der Krankheitstage im Betrieb zu senken. Die größte Präventionswirkung lässt sich durch die Kombination von Betrieblichem Eingliederungsmanagement sowie dem Betrieblichen Gesundheitsmanagement erzielen. Wobei Arbeitgebende letztlich immer auf die Mitwirkung der Arbeitnehmenden angewiesen sind.
BEM-Nutzen auf einen Blick:
- Reduzierung der krankheitsbedingten Fehltage von Arbeitnehmenden
- Erleichterung der Wiedereingliederung von Langzeiterkrankten
- Senkung von Personalbedarf und Personalkosten
- Steigerung des Wohlbefindens, der Produktivität und der Loyalität
- Vorbeugung von Personalmangel
- Erhalt von Wissen, Expertise und Erfahrung in der Organisation
- Schutz vor krankheitsbedingter Kündigung und Arbeitslosigkeit
- Entlastung der Sozialkassen
Ist das Betriebliche Eingliederungsmanagement verpflichtend?
Ja, seit dem 1. Mai 2004 ist das BEM gesetzliche Pflicht, die im Neunten Buch Sozialgesetzbuch geregelt ist. Das heißt, dass jeder Arbeitgebender entsprechende Maßnahmen ergreifen muss, wenn die Voraussetzungen für das BEM erfüllt sind.
Wer ist der/die BEM-Beauftragte und was sind seine Aufgaben?
Der/die BEM-Beauftragte ist die im Betrieb verantwortliche Person zur Leitung des BEM-Verfahrens. Sie wird vom Arbeitgebenden bestimmt und stammt häufig aus der Personalabteilung. Es kann ein:e Sachbearbeiter:in oder eine Führungskraft sein. Ist das Unternehmen groß genug, dass es einen Leiter für das Betriebliche Gesundheitsmanagement gibt, übernimmt dieser häufig die Aufgabe. Auch ein (meist festangestellter) Betriebsarzt oder eine Betriebsärztin kann BEM-Beauftragte:r sein. Zudem sind externe Beauftragte möglich. In kleinen Betrieben ist meist der/die Chef:in gleichzeitig BEM-Beauftragte:r.
Um die Akzeptanz zu erhöhen, kann auch ein BEM-Team aus mehreren Personen gegründet werden. Der/die BEM-Beauftragte führt die BEM-Gespräche. Der/die BEM-Beauftragte trägt die Verantwortung für die BEM-Akte und führt diese.
Wer muss die Kosten des BEM tragen?
Der Gesetzgeber sieht keinen Kostenausgleich, zum Beispiel durch die Rehabilitationsträger, vor. Das heißt, Sie müssen sämtliche im Zusammenhang mit dem BEM anfallende Kosten tragen – auch die für die Umsetzung von Maßnahmen im Betrieb. Deshalb ist es umso wichtiger die Kosten durch die Implementierung strukturierter und vor allem digitaler Prozesse möglichst gering zu halten. Eine moderne BEM-Software bildet den gesamten BEM-Prozess digital ab und reduziert dadurch den Ressourcenaufwand enorm.
Vor allem aber stellt sie sicher, dass notwendige BEM-Verfahren nicht mehr übersehen werden und Kündigungen dadurch für ungültig erklärt werden. Zudem hilft die BEM-Software dabei die hohen Anforderungen hinsichtlich des Datenschutzes einzuhalten. Verstöße gegen den Datenschutz können dazu führen, dass das BEM-Verfahren für nichtig erklärt wird. Die höchsten Kosten verursachen Kündigungsschutzprozesse, die bei fehlenden oder fehlerhaften BEM-Verfahren immer zugunsten des Klägers, also des gekündigten Mitarbeitenden, ausgehen.
2. Für wen gilt das BEM?
Gilt die BEM-Pflicht für alle Arbeitgebenden? Gibt es bestimmte Voraussetzungen oder Ausnahmen?
Tatsächlich gilt das Betriebliche Eingliederungsmanagement ausnahmslos für alle Unternehmen und andere Organisationen, die Mitarbeitende haben. Unabhängig von der Anzahl der Beschäftigten – also schon ab dem ersten Arbeitnehmer.
Gilt das BEM auch für öffentliche Dienstverhältnisse?
Ja, auch Arbeitgebende auf Kommunal-, Landes- oder Bundesebene sind verpflichtet, Ihren Arbeitnehmenden ein BEM-Verfahren anzubieten. Folglich gilt das BEM auch für Beamte in Behörden oder Ministerien, aber beispielsweise auch für Erziehende in kommunalen Kindertagesstätten. Auch andere Institutionen wie zum Beispiel Hochschulen, Verbände, NGOs oder gemeinnützige Organisationen sind davon nicht ausgenommen. Selbst kirchliche Institutionen müssen BEM nach Sozialgesetzbuch anbieten.
Wem muss das BEM angeboten werden?
Sofern ein Arbeitnehmender mit oder ohne Unterbrechungen mehr als 42 Tage im Jahr krank ist, muss ihm prinzipiell ein BEM-Gespräch angeboten werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um
- eine Vollzeit- oder Teilzeitkraft,
- eine:n befristet Beschäftigte:n,
- außertariflich Angestellte,
- eine Aushilfe,
- Auszubildende,
- Werkstudierende,
- Praktikant:innen oder
- Beschäftigte in anderen Arbeitsverhältnissen handelt.
Auch ob ein Mitarbeitender gesund, behindert oder gleichgestellt ist, spielt für die Regelung keine Rolle. Einzig Arbeitnehmende in Mutterschutz sind von der Regelung ausgenommen. Mutterschutz ist keine Krankheit.
Gibt es eine Beschäftigungsfrist, ab der die BEM-Regelung gilt?
Ja, zwar gilt das BEM für alle, aber erst nachdem das Arbeitsverhältnis mindestens sechs Monate besteht. Es muss also zunächst eine gewisse Beziehung zwischen Arbeitnehmendem und Arbeitgebendem aufgebaut werden, bevor mit dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement immerhin auch sehr persönliche Belange thematisiert werden.
Stellt sich heraus, dass ein Mitarbeitender in den ersten Monaten des Beschäftigungsverhältnisses häufig oder lange krank ist, nutzen Arbeitnehmende in der Regel die Probezeit dafür, sich vom Arbeitnehmenden zu trennen. Die Probezeit darf in Deutschland maximal sechs Monate betragen.
3. Durchführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements
Wann muss der Arbeitgebende BEM anbieten?
Arbeitgebende sind verpflichtet, einem Beschäftigten das Betriebliche Eingliederungsmanagement anzubieten, wenn dieser innerhalb eines Zwölf-Monats-Zeitraums mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig ist.
Muss der Arbeitnehmende sechs Wochen am Stück krank sein?
Nein, die sechs Wochen können auch durch mehrere kürzere Krankschreibungen zustande kommen, die in der Summe mehr als sechs Wochen ergeben. Entscheidend ist der Jahreszeitraum, der nicht mit dem Kalenderjahr verwechselt werden darf. Die Zwölf-Monats-Frist beginnt mit dem ersten Tag einer Arbeitsunfähigkeit.
Für Sie als Arbeitgebender bedeutet das, dass Sie gut im Auge behalten müssen, wann und wie oft Mitarbeitende ungeplant fehlen. Denn sobald die Grenze von sechs Wochen innerhalb eines Jahres überschritten ist, müssen Sie aktiv werden. Und das sollten Sie schon im eigenen Interesse. Denn nur wenn Sie vorher Ihrer gesetzlichen Pflicht nachgekommen sind, das BEM anzubieten und ggf. durchzuführen, können Sie Arbeitnehmende später krankheitsbedingt kündigen.
Wann muss das BEM-Verfahren gestartet werden?
Sobald der Beschäftigte die Schwelle von 42 Krankentagen im Zwölf-Monats-Zeitraum überschreitet, muss ihm das Betriebliche Gesundheitsmanagement angeboten werden. Unsere BEM-Software unterstützt Sie dabei, die Krankheitsdauer im Blick zu behalten. Sobald ein Mitarbeitender die Schwelle von 42 Tagen überschreitet, werden Sie automatisch informiert.
Wie wird das BEM gestartet?
Da die Teilnahme am BEM grundsätzlich freiwillig ist, startet das Verfahren immer mit der Einladung zum sogenannten BEM-Gespräch. In der BEM-Einladung wird die/der Betroffene unter anderem auf die Anzahl der Krankentage, die Pflicht zum Angebot des BEM, die Ziele des BEM, die Freiwilligkeit der Teilnahme und den Umgang mit seinen Daten bei Zustimmung zum BEM hingewiesen.
Die Anforderungen an die Einladung wurden in den vergangenen Jahren durch die Rechtsprechung immer wieder erhöht. Da schon ein mangelhaftes Einladungsschreiben dazu führen kann, dass das Betriebliche Eingliederungsmanagement als nicht (ordnungsgemäß) durchgeführt gewertet wird, sollten Sie der Einladung die nötige Sorgfalt zukommen lassen und ggf. juristischen Rat einholen.
Der BEM-Einladung sollten ein Antwortformular sowie weitere wichtige Dokumente beigelegt werden.
Was passiert, wenn der Arbeitnehmende nicht auf die BEM-Einladung reagiert?
Um zu verhindern, dass das Verfahren durch Ignorieren der Einladung hinausgezögert wird, sollten Sie in der Einladung stets eine Frist zur Antwort setzen. Drei Wochen haben sich als fair und praktikabel erwiesen.
Antwortet der Eingeladene nicht innerhalb der Frist, versenden Sie eine zweite Einladung mit erneuter Fristsetzung. Verstreicht auch diese ohne Reaktion, haben Sie Ihre Schuldigkeit getan. Meist ist die Nicht-Antwort ein Zeichen dafür, dass der Beschäftigte nicht am BEM-Verfahren teilnehmen will. Versuchen Sie ihn dann davon zu überzeugen, diese Entscheidung im Antwortformular deutlich zu machen, damit Sie eine schriftliche Bestätigung haben.
Was passiert, wenn der Beschäftigte am BEM teilnehmen möchte?
Stimmt der Arbeitnehmende der Teilnahme am BEM zu, kann das Verfahren aufgenommen werden. Es beginnt stets mit dem BEM-Gespräch, das der Situationsanalyse dient. Die Analyse ist Voraussetzung, um geeignete Maßnahmen zu definieren, die die Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag ermöglichen.
Welches Ziel hat das BEM-Gespräch?
Das Auftaktgespräch leitete einen ergebnisoffenen Suchprozess ein, bei dem die Frage im Mittelpunkt steht, wie der Arbeitgebende dazu beitragen kann, dass der Mitarbeitende möglichst schnell gesund und arbeitsfähig wird. Dafür schlagen alle Beteiligten geeignete Maßnahmen vor. Die Maßnahmen, die umgesetzt werden sollen, werden am Ende in der BEM-Vereinbarung festgehalten.
Wer muss am BEM-Verfahren beteiligt werden?
Neben dem Kranken selbst nimmt selbstverständlich der Arbeitgebende bzw. ein Vertreter der Organisation teil. Bei dem/der sogenannten BEM-Beauftragten handelt es sich häufig um ein Teammitglied der Personalabteilung oder eine:n Jurist:in aus der Rechtsabteilung.
Sofern vorhanden, kann die Arbeitnehmervertretung in Form des Betriebs- oder Personalrats hinzugezogen werden. Ist der betroffene Mitarbeitende schwerbehindert, auch die Schwerbehindertenvertretung. Wenn erforderlich, kann auch der/die Betriebsarzt/Betriebsärztin teilnehmen. Ob eine oder mehrere Vertreter dieser Personenkreise am BEM teilnehmen, entscheidet einzig und allein der Arbeitnehmende. Wenn er auf die Teilnahme besteht, müssen Sie ihm diesen Wunsch erfüllen.
Seitdem § 167 Abs. 2 S. 2 SGB IX im Jahr 2021 geändert wurde, kann der Arbeitnehmende zusätzlich eine Vertrauensperson seiner Wahl hinzuziehen. Das kann beispielsweise der eigene Rechtsanwalt sein.
Welche Maßnahmen eignen sich zur betrieblichen Wiedereingliederung?
Die konkreten Maßnahmen, die aus dem BEM-Gespräch hervorgehen, sind höchst individuell. Manchmal genügen ergonomische Anpassungen am Arbeitsplatz, mitunter muss dieser aber auch komplett gewechselt und eine andersartige Tätigkeit aufgenommen werden. Ausschlaggebend hierfür ist immer die Erkrankung mit ihren Folgen. Externe Einrichtungen wie die Unfall- und Rentenversicherungsträger, die Krankenkasse, die Agentur für Arbeit oder Berufsausbildungseinrichtungen können bei der Findung und Durchführung von Maßnahmen behilflich sein.
Tipp: Hier finden Sie konkrete Praxisbeispiele für das BEM.
4. Rechte und Pflichten im BEM
Muss ein Arbeitnehmender am BEM-Verfahren teilnehmen?
Jeder Arbeitgebender muss seine Beschäftigten zu einem BEM-Verfahren einladen und darüber aufklären, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind. Allerdings sind Arbeitnehmende nicht zur Teilnahme am Betrieblichen Eingliederungsmanagement verpflichtet. Sie können die Einladung zum Verfahren – ganz im Sinne ihres Charakters – natürlich ausschlagen.
Hat die Verweigerung der Teilnahme am BEM Konsequenzen für den Arbeitnehmenden?
Nicht unmittelbar. Allerdings hat das BEM die Aufgabe, Maßnahmen zu erörtern und zu prüfen, die es dem Beschäftigten ermöglichen, wieder an seinen alten oder einen alternativen Arbeitsplatz zurückzukehren. So soll vermieden werden, dass dem Mitarbeitenden krankheitsbedingt gekündigt werden muss und dieser arbeitslos wird. Wird die Chance zur Teilnahme am BEM ausgeschlagen, kann der Arbeitgebende mit Verweis darauf die Kündigung als letztes Mittel aussprechen und hat relativ gute Karten, dass diese auch vor Gericht als wirksam anerkannt wird.
Wie kann nachgewiesen werden, dass dem Arbeitnehmenden das BEM angeboten wurde?
Dokumentieren Sie Ihre Einladungen zum BEM-Gespräch und bewahren Sie das Einladungsschreiben auf. Versenden Sie die Schreiben am besten postalisch als Einschreiben mit Rückschein. Dann haben Sie einen Beweis, dass die Einladung beim Empfänger auch wirklich angekommen ist.
Fügen Sie der Einladung ein Antwortschreiben (ggf. mit kostenfreiem Rückumschlag) bei, auf dem der Empfänger seine Entscheidung zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement schriftlich festhält. Bewahren Sie dieses Antwortschreiben sorgfältig auf, um es im Falle eines Kündigungsschutzprozesses als Beweismittel einbringen zu können.
Hat der Arbeitnehmende ein Recht auf das BEM?
Ja, was für den Arbeitgebenden eine Pflicht, ist für den Arbeitnehmenden ein Recht. Sollte die/der Erkrankte also von sich aus auf Sie zukommen und um das Betriebliche Eingliederungsmanagement bitten, dürfen Sie es nicht ablehnen, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind.
Übrigens kann der Arbeitnehmende das BEM auch bei Erkrankungen einfordern, an denen sein Arbeitsplatz offensichtlich keinen, keinen offensichtlichen oder nur minimalen Einfluss hat. Das kann zum Beispiel bei Verletzungen, die in der Freizeit erfolgt sind, oder bei Alkoholismus der Fall sein.
Welche Belehrungspflichten müssen im Rahmen des BEM erfüllt werden?
Der Gesetzgeber stellt sehr hohe Anforderungen an die Durchführung des Betrieblichen Gesundheitsmanagements. Vieles steht und fällt bereits mit der Belehrung, die vor dem eigentlichen Verfahren steht. Als Arbeitgebender müssen Sie den Arbeitnehmenden zum Beispiel auf folgende Dinge hinweisen (nicht vollständig):
- Was ist das BEM und welche Ziele werden damit verfolgt?
- Die Teilnahme am BEM ist freiwillig und bedarf seiner ausdrücklichen Zustimmung.
- Was geschieht mit den datenschutzrechtlich besonders geschützten Gesundheitsdaten?
- Der Arbeitnehmende darf entscheiden, ob der Betriebsrat und/oder die Schwerbehindertenvertretung beteiligt werden und eine Vertrauensperson seiner Wahl hinzuziehen.
Muss der Betroffene den (Betriebs-)Arzt von der Schweigepflicht entbinden?
Nein! Weder muss er selbst seine Diagnose offenlegen, noch muss der Arzt seiner Schweigepflicht entbunden werden. In der Praxis erleichtert dies das Verfahren jedoch deutlich, da sich mit dem Krankheitsbild vor Augen leichter geeignete Maßnahmen zur Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit finden und ergreifen lassen. Eine Entbindung muss immer schriftlich erfolgen und kann vom Betroffenen jederzeit widerrufen werden.
Darf ich den Arbeitnehmenden auf die Option zur krankheitsbedingten Kündigung hinweisen?
Sie sollten Ihrem Mitarbeitenden nicht mit der krankheitsbedingten Kündigung drohen, sie dürfen jedoch auf das Risiko des Arbeitsplatzverlustes hinweisen, wenn er das BEM oder die aktive Mitarbeit daran verweigert. Auch dieser Hinweis trägt zur Transparenz bei.
Bedarf es einer Betriebsvereinbarung, um das BEM durchführen zu können?
In einer Betriebsvereinbarung können Arbeitgebender und Betriebsrat die Durchführung des BEM mit allen Rechten, Pflichten und Regeln festlegen (§ 88 BetrVG). Allerdings ist die Betriebsvereinbarung weder Pflicht noch Voraussetzung. In größeren Betrieben erleichtert sie jedoch die Durchführung und Kommunikation des BEM und gilt daher als empfehlenswert.
Darf die/der Erkrankte eigene BEM-Maßnahmen vorschlagen?
Unbedingt, er soll proaktiv mitwirken. Schließlich weiß der/die Erkrankte am besten, welche Beschwerden er/sie hat und wie diesen am Arbeitsplatz entgegengewirkt werden kann. Als Arbeitgebender sind Sie dazu aufgerufen, sich ernsthaft mit den Vorschlägen auseinanderzusetzen und diese, wenn sinnvoll, umzusetzen.
Müssen die BEM-Vorschläge anderer Beteiligter umgesetzt werden?
Nein, nicht grundsätzlich. Allerdings ist bei Vorschlägen seitens des Arbeitnehmenden, des Betriebsrats oder der Schwerbehindertenvertretung eine ergebnisoffene Diskussion und Prüfung im BEM-Team obligatorisch. Jedoch gibt es natürlich auch Maßnahmen, die keinen Sinn ergeben oder die Ihnen zum Beispiel aus Kostengründen nicht zumutbar sind.
Ist eine Umsetzung nicht möglich, bedarf es einer sachlich begründeten Ablehnung, die der Arbeitnehmende nachvollziehen kann. Aber Achtung: Misslingt diese Begründung, dann kann das vor Gericht als nicht stattgefundenes BEM gewertet und Ihnen zum Nachteil ausgelegt werden (Erschwerung der krankheitsbedingten Kündigung).
Übrigens: Nicht umsonst heißt es Betriebliches Eingliederungsmanagement. Die Maßnahmen müssen organisationsseitig umsetzbar sein. Nicht nur in praktischer, sondern auch in finanzieller Hinsicht.
Kann der Beschäftigte sich über den Ablauf des BEM beschweren?
Natürlich kann und sollte der Arbeitnehmende seinen Arbeitgebenden rügen, sofern dieser sich nicht mit der nötigen Ernsthaftigkeit und Sorgfalt mit dem BEM oder den von ihm vorgeschlagenen BEM-Maßnahmen auseinandersetzt. Wenn nicht ohnehin schon von Anfang an geschehen, kann er in einem solchen Fall seine Interessensvertretung, also den Betriebs- oder Personalrat, hinzuziehen.
Welche Rechte hat der Betriebsrat beim BEM?
Der Betriebsrat kann gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG verlangen, dass Sie ihm die Namen derjenigen Beschäftigten nennen, die die Voraussetzungen für das Betriebliche Eingliederungsmanagement erfüllen, also mehr als sechs Wochen innerhalb von zwölf Monaten krankheitsbedingt fehlen. Das kann er aufgrund seines Initiativrechts auch ohne die ausdrückliche Zustimmung der Betroffenen selbst. Nur so kann der seine Überwachungsfunktion wahrnehmen.
Ob der Betriebsrat am BEM-Verfahren selbst teilnehmen darf, entscheidet ausschließlich der Arbeitnehmende, um den es im Verfahren geht.
5. BEM und Kündigung
Muss das BEM durchgeführt werden, um eine krankheitsbedingte Kündigung aussprechen zu können?
Das BEM ist keine Wirksamkeitsvoraussetzung für eine krankheitsbedingte Kündigung. Allerdings hilft es dabei zu beweisen, dass die Kündigung die Ultima Ratio und damit unvermeidlich ist. Demnach empfiehlt es sich vielfach, das Betriebliche Eingliederungsmanagement vor dem Ausspruch einer Kündigung durchzuführen, um es im Zweifel vor Gericht nachweisen zu können.
Das Verfahren hilft Ihnen glaubhaft darzulegen, dass durch den Arbeitgebenden keine geeigneten Maßnahmen zur Gesundung beigetragen werden können und es keinen leidensgerechten Alternativarbeitsplatz für den/die Betroffene gibt.
Reicht es aus, das Betriebliche Eingliederungsmanagement einmalig durchzuführen?
Lange Jahre galt die Annahme, dass ein BEM-Prozess pro Jahr genügt. Im November 2021 hat das Bundesarbeitsgericht jedoch entschieden, dass bei wiederholter Arbeitsunfähigkeit von mehr als sechswöchiger Dauer ein weiteres BEM-Verfahren durchzuführen ist, auch wenn die Zwölf-Monats-Frist noch nicht abgelaufen ist (Az. 2 AZR 138/21).
Das bedeutet, dass Sie die Fehltage Ihrer Mitarbeitenden mit geeigneter Software kontinuierlich zählen müssen, um wieder rechtzeitig mit dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement starten zu können. Ansonsten laufen Sie künftig noch schneller Gefahr, dass Ihre Position aufgrund fehlender Formalien geschwächt wird.
Das Monitoring und die Durchführung gleich mehrerer BEM-Verfahren für einen Langzeiterkrankten erhöht den administrativen Aufwand enorm, was wirtschaftliche Folgen hat. Mit einer BEM-Software, die einen strukturierten Ablauf und die effiziente Verwaltung der BEM-Fälle ermöglicht, kann der Mehraufwand jedoch ressourcenschonend bewältigt werden.
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