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Long-Covid und Post-Covid: Corona und BEM – Was Arbeitgebende beachten müssen

von Katja Uhde – 9. August 2022

Arbeitnehmende, die an Long- oder Post-Covid erkrankt sind, fehlen im Durchschnitt mehr als 100 Tage am Arbeitsplatz. Ihnen muss das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) angeboten werden. Wie Sie Ihrer Pflicht nachkommen und an Corona erkrankten Mitarbeitenden die Rückkehr an den Arbeitsplatz erleichtern.

Nicht wenige Menschen, die sich mit dem Coronavirus infizieren und an Covid-19 erkranken, sind länger arbeitsunfähig als die Infektion andauert. Treten Wochen oder Monate nach durchlebter Coronainfektion fortdauernde oder neue Symptome auf, spricht man von Long- bzw. Post-Covid. Wobei die Begriffe nicht synonym verwendet werden, sondern genau definiert sind:

  • Long-Covid bezeichnet Covid-19-typische Beschwerden, die wenigstens vier Wochen nach der Infektion bestehen
  • Post-Covid bezeichnet Beschwerden, die mindestens zwölf Wochen nach der Infektion bestehen

Mehr als 10 % leiden unter Long-Covid

Da es sich bei dem Coronavirus um einen Multiorganvirus handelt, gibt es eine Fülle verschiedener Symptome, die mit der Infektion in Zusammenhang stehen. Abhängig vom Immunsystem, Risikofaktoren, Vorerkrankungen und der allgemeinen körperlichen Konstitution treten ganz unterschiedliche, oft diffuse Krankheitsbilder auf.

Laut dem Robert-Koch-Institut (RKI) begünstigen chronische und psychische Vorerkrankungen und ein schwerer Covid-19-Krankheitsverlauf die Entstehung von Long-Covid. Statistisch sind Frauen häufiger betroffen als Männer. Viele Patient:innen fühlen sich auch nach Wochen und Monaten noch chronisch erschöpft (Fatigue-Syndrom) und können gar nicht oder nur kurze Perioden arbeiten. Sie haben Atembeschwerden und/oder Konzentrationsprobleme.

Doch Long-Covid und Post-Covid geben noch immer Rätsel auf. Es ist nur schwer möglich, die genaue Anzahl der Betroffenen zu quantifizieren. Die Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin schätzt, dass zehn Prozent der an Covid-19 erkrankten Menschen mit langanhaltenden Beschwerden zu kämpfen haben. Die Dunkelziffer dürfte weitaus höher sein, denn längst nicht jede Coronainfektion ist symptomatisch und kann daher auch nicht mit Langzeitbeschwerden in Verbindung gebracht werden.

Bis zu 190 Fehltage wegen Long-Covid

Eine aktuelle Studie der Techniker Krankenkasse belegt, dass Arbeitnehmende wegen Long-Covid durchschnittlich deutlich mehr als 100 Tage im Jahr fehlen. Das ist nicht nur für den Erkrankten selbst eine Belastung, sondern natürlich auch für Unternehmen. Gerade in Zeiten angespannter Personalsituationen.

Schon bei einem verhältnismäßig leichten Verlauf wurden Beschäftigte 2021 im Durchschnitt für 90 Tage krankgeschrieben. Mussten Patient:innen wegen Covid-19 für sieben Tage im Krankenhaus behandelt werden, erhöhte sich die Ausfallzeit bereits auf satte 168 Tage. Bei Patient:innen, die künstlich beatmet werden mussten, belief sich die Dauer der Arbeitsunfähigkeit auf durchschnittlich 190 Tage. Zum Vergleich: Im Durchschnitt ist ein bei der Techniker Krankenkasse versicherter Arbeitnehmer 14,6 Tage im Jahr krankgeschrieben.

Diese Zahlen machen nicht nur die gesundheitliche Belastung von Erkrankten deutlich, sondern auch die betriebs- und volkswirtschaftliche Belastung. Je kleiner ein Unternehmen, desto weniger kann es sich leisten, hundert Tage und mehr auf einen Mitarbeitenden zu verzichten. Zumal die Rückkehr nach so langen Abwesenheitsphasen nicht immer leicht fällt.

Die langen Ausfallzeiten hängen auch damit zusammen, dass es in Deutschland viel zu wenige Therapieplätze für Patient:innen gibt, die an Long-Covid oder Post-Covid erkrankt sind. Das führt zu langen Wartezeiten, die die Arbeitsunfähigkeit verlängern.

BEM muss auch bei Long-Covid und Post-Covid angeboten werden

Die Wiedereingliederung in den Arbeitsalltag ist nicht nur ein Problem bei Long-Covid. Deshalb gibt es seit 2004 das Betriebliche Eingliederungsmanagement, das die Rückkehr an den Arbeitsplatz beschleunigen und erleichtern soll. Arbeitgebende müssen Arbeitnehmenden, die innerhalb von zwölf Monaten länger als sechs Wochen arbeitsunfähig sind, ein BEM-Gespräch und einen nachgelagerten BEM-Prozess anbieten.

Im BEM-Gespräch wird geklärt, wie der Arbeitgeber dazu beitragen kann, dass der Erkrankte wieder in das Arbeitsleben eingegliedert werden kann. Dieses Verfahren ist ein ergebnisoffener Suchprozess. Das ist gerade bei Long-Covid besonders wichtig. Denn die Beschwerden fallen höchst unterschiedlich aus.

BEM-Maßnahmen bei Long-Covid und Post-Covid

Als Arbeitgebender können Sie Ihre Beschäftigten auf vielfache Weise dabei unterstützen, wieder in den Berufsalltag zurückzukehren. Folgend einige Beispiele für typische BEM-Maßnahmen bei Long-Covid:

  • Anpassung der Arbeitsaufgaben
    • Änderung des Arbeitsbereichs
    • Anpassung der Arbeitslast
    • Unterstützung durch andere/neue Teammitglieder
  • Anpassung der Arbeitszeiten
    • Flexible Arbeitszeiten
    • Veränderte Pausenzeiten
    • Anpassung der Schichtarbeit
  • Gestaltung des Arbeitsplatzes
    • Ermöglichung von Home Office
    • Bereitstellung von Hilfsmitteln
    • Anpassung des Arbeitsplatzes
  • Stufenweise Wiedereingliederung
    • Erstellung eines Wiedereingliederungsplans
    • Unterstützung bei der Durchführung

Um die Langzeitfolgen der Coronapandemie für Ihr Unternehmen möglichst gering zu halten, sollten Sie dem Betrieblichen Eingliederungsmanagement die nötige Aufmerksamkeit schenken und es als Chance, statt als Last betrachten. Gerade Corona macht deutlich, dass das BEM eben mehr ist als die vorurteilhafte Vorbereitung der krankheitsbedingten Kündigung. Schließlich möchte kein Unternehmen einen kompetenten Mitarbeitenden verlieren, nur weil dieser nach einer Infektion noch nicht wieder das alte Leistungsniveau erreicht hat. Zumal es sich bei der Personalknappheit auch kein Unternehmen leisten kann, verdiente Arbeitskräfte zu verlieren. BEM erhält Arbeitsplätze!

Gut zu wissen: Jede weitere Infektion erhöht das Risiko für Long-Covid

Reinfektionen, also die wiederholte Infektion mit SARS-CoV-2, erhöhen das Risiko an Long-Covid zu erkranken. Schon bei der zweiten Infektion verdoppelt sich die statistische Wahrscheinlichkeit.

Es ist also empfehlenswert, dass Sie Ihre Mitarbeitenden weiterhin bestmöglich vor dem Coronavirus schützen. Desinfektionsmittel, Abstandsregeln, Maskenpflicht, Home Office und Co. sind einfache Mittel, um das Infektionsrisiko effizient zu senken. Zudem sollten Sie Ihre Beschäftigten weiterhin zum Impfen und Boostern aufrufen und die Wahrnehmung entsprechender Termine so einfach wie möglich machen. Sogar Impfungen, die erst nach einer Infektion mit dem Coronavirus erfolgen, senken das Risiko an Long-Covid zu erkranken.

Unterstützen Sie erkrankte Mitarbeitende

Nicht immer schließen sich Langzeitfolgen nahtlos an eine Coronainfektion an. Oft ist der Infektionsverlauf sogar ausgesprochen mild, aber es kommt erst Tage, Wochen oder Monate später zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Das heißt, dass Arbeitgebende auch auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter achten sollten, die nach Quarantäne oder Infektion längst wieder zurück am Arbeitsplatz sind.

Um Ausfallzeiten so gering wie möglich zu halten, können Sie Ihre Beschäftigten auf verschiedenen Wegen dabei unterstützen, sich möglichst schnell wieder vom Coronavirus und seinen Folgen zu erholen. Folgend einige Tipps, mit denen dies gelingt:

1. Führungskräfte sensibilisieren

Die direkten Vorgesetzten sind am nächsten an den Mitarbeitenden. Sie nehmen deshalb eine wichtige Schlüsselfunktion ein. Führungskräfte sollten für Long-Covid sensibilisiert werden. Betroffene dürfen nicht stigmatisiert werden, sondern sie müssen unterstützt werden. Wenn Chefs wissen, wie sie Leistungsrückgänge gezielt erkennen, können Belastungszustände umso schneller behandelt werden. Zumal Führungskräfte auch im BEM-Prozess eine wichtige Rolle einnehmen.

2. Rückkehr organisieren

Kommt ein Mitarbeitender nach längerer Coronaerkrankung zurück an den Arbeitsplatz, bieten Sie ihm ruhig auch dann ein Gespräch an, wenn die BEM-Voraussetzungen noch nicht gegeben sind. Niemand hindert Sie daran, die Wiedereingliederung auch bei kürzeren Abwesenheitszeiten zu erleichtern. Erlauben Sie Betroffenen langsam wieder einzusteigen. Informieren Sie sie über Neuigkeiten und priorisieren Sie gemeinsam die anstehenden Aufgaben.

3. Hilfsangebote kommunizieren

Es gibt zahlreiche Hilfsangebote für Betroffene von Long-Covid. Diese stammen beispielsweise von Ärzten und Ambulanzen. Sofern vorhanden, können Sie auch den Betriebsarzt als Anlaufstelle kommunizieren. In vielen Regionen gibt es zudem Selbsthilfegruppen. Teilweise haben sich entsprechende Gruppen auch in größeren Betrieben gegründet. Sie können dies aktiv fördern, indem Sie beispielsweise einen Gruppenleiter (Betriebsarzt), Räume oder Arbeitszeit zur Verfügung stellen.

4. Unterstützung anbieten

Nicht immer ist Long-Covid so schlimm, dass eine ärztliche Therapie nötig ist. Atem-, Konzentrations- und Achtsamkeitsübungen, Meditation, Physiotherapie, Sport und Gespräche tragen bereits erheblich zur Linderung bei. Das sind alles Dinge, die zumindest KMU und Konzerne ihren betroffenen Mitarbeitenden anbieten können. Sei es durch Freistellung, (Teil-)Finanzierung oder Organisation im Betrieb. Zumal diese Instrumente zugleich Maßnahmen für das Betriebliche Eingliederungsmanagement darstellen.

Long-Covid kann Berufskrankheit oder Arbeitsunfall sein

So wie die Covid-19-Erkrankung an sich, können auch die Langzeitfolgen in Form von Long-Covid und Post-Covid als Berufserkrankung eingestuft werden. Das gilt besonders für Tätigkeiten im Gesundheitsdienst, der Wohlfahrtspflege oder dem Labor. Also überall dort, wo ein erhöhtes Ansteckungsrisiko mit dem Coronavirus besteht.

Ist die Anerkennung als Berufskrankheit nicht möglich, ist es noch möglich, dass es sich um einen Arbeitsunfall handelt. Vor allem dann, wenn die Infektion nachweislich während der Arbeit, zum Beispiel durch einen Kollegen, erfolgt ist.

In beiden Fällen haben Erkrankte Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, sofern es sich um eine berufliche Tätigkeit handelt, die über die gesetzliche Unfallversicherung versichert ist.

Weitere Informationen zu Long-Covid

  • Die Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz hat einen Leitfaden für Führungskräfte zu Covid-19-Erkrankungen und Long-Covid herausgegeben.
  • Die Bundeszentrale für politische Arbeit betreibt ein Informationsportal zu Long-Covid.
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